Abigail
Mein Name ist Abigail. Vielleicht erinnerst du dich nicht an mich. Ich habe ein Leben mit einem ”Happy End“ erlebt. Aber glaube mir, es hat nicht so gut angefangen, wie es schließlich endete. Ich wurde die zweite Frau von König David, aber die erste, die ihm Kinder gebar. Als wir uns das erste Mal begegneten, war ich bereits mit einem anderen Mann verheiratet. Aber ich will dir die ganze Geschichte erzählen:
Der Anfang
Früher war es üblich, die Eheschließung durch die Eltern zu arrangieren. Die Väter der Frauen hatten mehr Einfluss auf das zukünftige Leben ihrer Töchter als diese selbst. Dabei spielte es eine untergeordnete Rolle,ob es ein ”guter“ Mann war, den sie heirateten. Die Hauptsache war der finanzielle Aspekt.
So wurde ich also verheiratet. Mein Mann Nabal war weder freundlich noch rücksichtsvoll. Um ehrlich zu sein: Man muss ihn als einen brutalen Tyrann bezeichnen – und sogar das ist wohl noch milde ausgedrückt. Aber er hatte Land, Häuser und einen Viehbestand von seinem Vater geerbt und mein Vater wollte meine Zukunft absichern.
Erst nachdem wir verheiratet waren, entdeckte ich Nabals ”wahres” Gesicht. War er nüchtern, hatte er schlechte Laune. Doch er war sehr oft betrunken und sein Temperament ging in diesem Zustand noch leichter mit ihm durch als sonst. Eigentlich versuchte jeder, ihn zu meiden. Denn das eigene Leben war sicherer so – auch meines. Damals gehörte eine Frau ins Haus und war ihrem Mann gehorsam, auch wenn die Umstände bedrohlich wurden. Und wegen Nabals aufbrausendem Temperament kamen solche Umstände immer wieder. Meine Aufgabe war, die wütenden Nachbarn zu beschwichtigen. Jeder hatte Angst vor ihm und um in Frieden zu leben, mußte ich klug wie eine Schlange und sanft wie eine Taube sein.
Verheiratet mit einem Narren
Nabal stritt mit allen um alles, auch um die geringsten Kleinigkeiten und immer musste er Recht behalten. Er hatte nicht gerade viel Verstand, dafür aber ein um so größeres Mundwerk – eine gefährliche Kombination. Zum Beispiel war er ein großer Anhänger Sauls gewesen und wenn die Rede auf ihn kam, fing er an, auf David, diesem ”Verbrecher und Dieb”, herumzuhacken. ”Hinrichten müsste man ihn – und jeden anderen auch, der ihm nachläuft”, schimpfte er laut. So war in unserem Haus immer Unruhe.
Eigentlich war David ja unser Beschützer. Wenn er und seine Männer über Land ritten, sicherten sie so auch unsere Dörfer vor Räubern oder noch Schlimmerem. Warum blieb ich bei ihm? Hätte ich weggehen können? Zurück zu meinem Vater? Undenkbar; immerhin war ich eine verheiratete Frau. Und Nabal wußte es wohl selber nicht, aber er brauchte mich. Die Sklaven wußten, dass sie mich brauchten. Nabal verursachte so viel Unruhe und Ärger, dass unsere Nachbarn – nicht unsere Feinde – drohten, ihn und alle Bewohner des Hauses zu töten und unser Anwesen niederzubrennen. Ich durfte nicht daran denken, was erst seine Feinde tun würden, wenn es hart auf hart käme; und Feinde hatte Nabal mehr als genug. Dann kam der Tag, der mein Leben für immer verändern sollte. Einer der Diener kam vom Feld und brachte die Nachricht, dass David ihn geschickt habe und um etwas Essen, Wasser sowie einen Ruheplatz für die Nacht zu erbitten. Du kannst dir denken, was Nabal tat. Er sandte die Boten mit unflätigen Worten und der Nachricht zu David zurück, dass er einem Haufen Dieben und Verbrechern ganz sicher keinen Gefallen tun würde. Als ich hörte, was geschehen war, konnte ich mir Davids Reaktion ausmalen. Welche Gedanken würden jetzt durch seinen Kopf gehen? Nein, es war nicht klug, Davids Feind zu sein.
Göttliche Weisheit
Während ich durch das Haus lief, fing ich an zu organisieren. ”Jetzt heißt es, schnell zu sein. Los, bereitet ein oder zwei Schafe zu und einige Lämmer. Sarah, geh in den Garten und hol so viel frisches Gemüse wie du findest und beginne es zu putzen. Martha, geh in den Obstgarten und fülle mehrere Körbe mit Früchten. Rahel, hol unser ganzes Brot aus der Vorratskammer; im Backofen haben wir mehr. Maria, geh in den Keller und hol Wein; den besten des letzten Jahres – und beeil dich!“
Es dauerte ein bischen, aber gemeinsam brachten wir doch ein üppiges Mahl zusammen und luden es auf die Esel. Wieder einmal arbeiteten wir verzweifelt daran, unser Leben zu retten. Nachdem die Tiere beladen worden waren, schlich ich mich vom Haus weg und machte dabei einen großen Umweg. Das letzte, was passieren durfte war, von Nabal dabei erwischt zu werden, wie ich dem „Feind“ half. Und da trafen wir mit unserer kleinen Karawane schon auf David und seine Männer.
Begegnung mit David
Ich fiel vor seinen Füßen auf mein Gesicht. Jetzt, da ich unser Leben retten wollte, gab es keinen Raum für Stolz. David nahm meine Hand und zog mich hoch. Ich sagte demütig: „Bitte Herr, nimm diese Geschenke von unserem Haus. Nimm sie als ein Zeichen des Friedens. Mein Mann ist ein undankbarer Narr. Bitte laß seine Dummheit nicht zum Grund werden, unser Haus anzugreifen“. David blickte auf die kleine Karawane hinter mir. Und dann schaute er wieder mich an. David hatte ein Auge für Schönheit und ich bemerkte, dass er mich mit Wohlgefallen ansah.
„Wie heißt du?“ fragte er freundlich. „Abigail, Herr!“ erwiederte ich. Ich hatte schon gehört, dass er ein gutaussehender Mann sein sollte, aber das war zu wenig. Er war bemerkenswert schön. Während er mich so freundlich ansah, spürte ich etwas in meinem Herzen. Das war mir fast noch nie passiert, besonders nicht seit meiner Heirat. „Nun, Abigail, du bist mutig und klug. Ich bin ein Mann, der manchmal vorschnelle Entscheidungen fällt und nicht alle davon sind weise. Ich war entschlossen, wegen der Undankbarkeit und Grobheit deines Mannes seinen ganzen Besitz zu zerstören. Doch ich nehme dein Friedensangebot an. Du hast dein Heim gerettet. Geh in Frieden zurück zu deinem Mann“.
Meine Rückkehr wurde noch nicht einmal bemerkt. Der Alltag kehrte wieder ein. Zehn Tage später, nur zehn Tage später starb Nabal an einem Schlaganfall. War es ein Segen Gottes oder war es das Gericht Gottes über einen Mann, der Gott scheinbar nicht nötig hatte? Vielleicht beides; wir werden es nicht herausfinden. Sein Egoismus hatte viel Leid und Elend in mein Leben gebracht.
Ein Ende mit dem Segen Gottes
David hörte, dass ich Witwe geworden war und kam zu mir – mit einem Priester. Wir heirateten in einer kleinen Zeremonie; nur seine Männer und die Mitglieder meines Haushalts. Da Nabal und ich keine Kinder hatten, erbte ich seinen ganzen Besitz. Die Mitgift konnten wir gut gebrauchen. Durch diese Unterstützung konnte David sich weiter vor Saul verstecken.
Ich hatte keine Ansprüche an mein Leben an Davids Seite. Soweit ich wusste, würde er ein alter Mann sein, bevor er seine Königsherrschaft würde antreten können. Aber ich wußte, dass er ein freundlicher und guter Mann war, ein Mann, der Gott liebte und ihm gehorchen würde. Ich war bereit, für den Rest meines Lebens in einem Zelt zu wohnen und David zu folgen.
Doch das war nicht nötig. Das Schicksal wendete sich auch hier und David wurde zum zweiten und größten König gekrönt, den Israel je hatte. Wirklich: in unser beider Leben wurde der Reichtum, den die Gottlosen gesammelt hatten, den Gerechten gegeben.
Entnommen mit freundlicher Genehmigung der amerikanische Site: www.godswordtowomen.org