Tamar

Mein Name ist Mari, mit 21 Jahren vergewaltigte mich mein Halbbruder, 21 Jahre später, habe ich ihm von Herzen vergeben.

Philipper  4,13 Denn alles ist mir möglich durch Christus, der mir die Kraft gibt, die ich brauche.

Mein Halbbruder ist 15 Jahre älter als ich, als er mich vergewaltigte war ich 21 Jahre nur wegen meiner Heilung denke ich nun nicht mehr mit Hass an ihn. Wenn ich die Geschichte Tamars (2.Sam 13,1 -22) in der Bibel lese, dann spüre ich noch den Stich in meiner Seele, es hat sehr lange gedauert, bis ich sie überhaupt lesen konnte. Den Schmerz der Vergewaltigung zu erleben und das obwohl ich in der Bibel las, das war zu heftig für mich. Mein Halbbruder konnte nicht an mich heran kommen, da ich immer auswich. Er war verheiratet und hatte einen süßen Sohn, war viel beschäftigt und als LKW-Fahrer dauernd unterwegs.

Zu meinem 18ten Geburtstag hatte er eine Bemerkung gemacht, die mich als Frau sehr negativ berührte und als Schwester anhielt weit weg von ihm zu sein Er sagte: „Die kriege ich auch mal!“  Mit seiner Frau und seinem Sohn war ich immer in gutem familiärem Kontakt, aber ich achtete erst bewusst, später unbewusst immer darauf,niemals mit meinem Halbbruder alleine zu sein. 3 Jahre später rief mich meine Mutter an (ich lebte damals in meiner allerersten eigenen Wohnung), sie bat mich mit meinem Halbbruder zu dessen Campingplatz zu fahren, er müsse dort etwas erledigen. Ich sollte ihn begleiten, da er aufgrund seiner derzeit psychisch labilen Situation nicht allein gelassen werden sollte. Keine Ahnung warum ich es tat, aber ich stieg in sein Auto und bemerkte sein Siegeslächeln nicht. Bis heute bin ich der festen Überzeugung, dass er den ganzen Tag geplant hatte.

Wir fuhren zu diesem Campingplatz und nachdem er nach einigen Bieren und mit irgendwelchen Ausreden beschloss, dass wir da bleiben –  zumal er genug getrunken hatte und nicht fahren konnte. Er ließ mich mein Bett herrichten und ich sollte schon schlafen gehen, gerade als ich mich zudeckte,kam er zu mir legte sich neben mich und als ich nicht tat was er wollte, fiel er über mich her. Er erwartete eigentlich, dass ich mich ihm freiwillig hingeben würde. Mehrfach ist er seine Notdurft an mir nachgegangen, wie ein Tier hatte er sich genommen, was er benötigte. Er glaubte, es würde mir gefallen, schließlich hätte meine Halbschwester dies immer mit ihm getan, sagte er später. Am nächsten Morgen brachte er mich nach Hause, als sei nichts geschehen. All das Duschen und Waschen nutzte nichts, denn der Schmutz auf meiner Seele war nicht weg zu waschen.

Meine Mutter und meine Schwägerin glaubten kein Wort von dem was ich erzählte, wobei meine Mutter mit ihrem „ach was“ schnell in ihre Verdrängungstechnik fiel. Ich hatte viele Jahre mit Schuld zu kämpfen, ich warf mir vor, selber schuld zu sein, weil ich mit ihm in einem Campingwagen war, bis heute kosten mich Campingplätze immer noch Überwindung. Nach diesem Vorfall habe ich meinen Bruder Jahre lang nicht gesehen, auf seiner Hochzeit habe ich mich gewagt in seine Nähe zu kommen. Meine Begleitung kannte damals die halbe Wahrheit und war bereit, mit mir zu gehen und mich zu beschützen, wenn das sein musste. Während dieser Hochzeit sah ich seine zweite Frau (mein Geburtsjahr) zum ersten Mal und auch dessen Tochter (ca. 10 Jahre jünger als sein eigener Sohn). Die Art und Weise. wie er mit der Tochter  umging, schnürte mir den Hals zu. Bei der einen oder anderen Gelegenheit machte ich Bemerkungen darüber, aber niemand schien zu hören, was ich sagen wollte.

Als ich vor ein paar Jahren in christlicher Therapie war, forderte meine Therapeutin mich auf, meinem Bruder einen Brief „unter Gebet“ zu schreiben, indem ich alle Anklagen und Gefühle reinpacke. Ich startete diesen Brief mit Hass und Verzweiflung und plötzlich nahm ich war, wie armselig dieser Mann ist und wie das Erbarmen Gottes mich für ihn ergriff. Es geschah etwas Übernatürliches, was ich mir zuvor nicht vorstellen konnte. Es floss ein warmes, wohliges Gefühl aus Mitleid und Erbarmen für ihn und ich begann Vergebung für alles auszusprechen, dass er mir wehgetan hatte, dass er mich mit Gewalt genommen hatte, seine Lügen und Intrigen und all das widerwärtige das in mir hoch kam, wenn ich an ihn dachte. Dieser Brief war ein erster Durchbruch, aber ich war immer noch nicht frei von selbstzerfleischenden Vorwürfen.

Die Therapeutin forderte mich auf, diesen Brief abzuschicken, sie hatte ihn gelesen: er sprach die Vergebung aus, die ich ehrlich empfand. Nach einiger Zeit überwand ich mich mit Zittern und Beben den Brief in den gelben Kasten zu werfen. Ein paar Tage später rief mich (aufgrund göttlicher Umstände) meine Schwägerin an, also seine erste Ehefrau und seltsamerweise hatten wir richtig Zeit, über die damalige Situation zu sprechen. Ich war im Büro, aber niemand kam oder rief an und unser Gespräch wurde eine Stunde lang nicht unterbrochen. Sie bat um Vergebung für ihr Verhalten damals und erzählte mir, dass mittlerweile dieses Mädchen (die Tochter der zweiten Ehefrau) ein Kind von ihm hat. Seine zweite Frau hat sich von ihm getrennt und er lebt mit diesem Mädchen zusammen. Dieses Mädchen scheint ihn anzubeten und zu vergöttern.

Dass man nicht lieben kann, wenn man selber keine Liebe empfangen hat, sagte meine Therapeutin einmal, und ich glaube, das ist, was meinen Bruder quält. Fehlende Liebe.

Immer noch litt ich unter Alpträumen, aber ich konnte nun mit meinem Herrn darüber sprechen, und eines Tages sprach der heilige Geist zu mir, ich solle Jeremia 30, Vers 12+17 lesen:

„Dein Schaden ist verzweifelt böse, und deine Wunden sind unheilbar. Aber ich will dich wieder gesund machen und deine Wunden heilen!!!!“

Zum ersten Mal erfuhr ich, dass Gott nicht von seinem Thron aus zuschaut, sondern wirklich bei mir ist und mit mir durch diesen Schmerz geht und bin deshalb nun an dem Punkt, an dem ich Trost und Zuversicht finde.

Seit der Hochzeit damals bin ich meinem Bruder nicht mehr persönlich begegnet, ich suche seine Nähe auch nicht. Das verlangt niemand von mir und Gott zwingt mich sowieso nicht. Ich soll meine Feinde lieben und sie segnen und das kann ich, aber nur weil vorher Vergebung geflossen ist.

Das Wichtigste war, dass ich ausgesprochen habe, wie sehr er mich verletzt hat, dass er mich entehrt hat und dass es Sünde war, was er getan hat. Es war wichtig zu erkennen, dass er das Unrecht begangen hat und dass ich mit dieser Sache vor den höchsten Richter gehen durfte. Ab diesem Punkt war ich bereit, den bitteren Kelch der Vergebung  zu trinken, denn Gott hat mir viel mehr vergeben. Es ist die Gnade Gottes, die mir dieses Bitter versüßt hat. Gott war in dieser Zeit bei mir und hat mich davor bewahrt daran zu zerbrechen. ER  war da und hat mir die Freude am Leben erhalten. Alles was ich dazu tun musste, war mich auf das Abenteuer mit IHM einzulassen und es hat mich erlöst. Es hat mich von Schuld befreit, der Druck, der auf mir lastete und suchte meine Seele zu zerstören, wurde von mir genommen. Mein Bruder hat diesen Brief niemals erwähnt, aber Gott hat Menschen so geführt, dass die Geschichte mir zum Heil wurde, sie hat ein Happyend.

Kennen Sie das Lied in dem es heißt, dass es wunderbare Heilung gibt und eine Hoffnung die sich erfüllt. Ja so empfinde ich es. Heute bete ich, dass mein Bruder Jesus annimmt, damit ich nicht erst im Himmel mit offenen Armen auf ihn zugehen kann. Er ist ein Verlorener Sohn, der noch sucht und hoffentlich findet, bevor seine Lebensuhr abgelaufen ist.

Ebenfalls von Mari ist das Gedicht: Vergebung